Freitags kommt die Streichelbande

Therapei mit Tieren

Roboter Paro sitzt auf dem Schoß von Rita Pickl in der Tagesbegegnungsstätte in Tutzing.

Hunde zu Besuch in Seniorenheimen, Behinderteneinrichtungen und Kindertagesstätten

Landkreis – Fröhliche Kinder drängen sich um die drei Hunde. Gesunde Kinder füttern die Tiere mit Trockenfutter, kranke Kinder beobachten mit strahlenden Augen das wilde Getümmel. In der Heilpädagogischen Tagesstätte des Vereins FortSchritt in Niederpöcking ist freitags die Streichelbande mit ihren Hunden zu Besuch. Ein spastisch gelähmtes Mädchen sitzt neben ihrer Betreuerin an die Wand gelehnt auf einem Kissen. Regina Welk von der Streichelbande legt ein kleines Stück Trockenfutter neben die Hand des Mädchens. Vorsichtig bewegt sich die weiße Mischlingshündin Flocke darauf zu, dabei streift die Nase der Hündin die Hand des Kindes. Seine Finger bewegen sich, es lächelt. „Die Hunde bringen den Kleinen Entspannung und Freude“, sagt Welk. Zusammen mit ihrer Hündin Flocke, ihrer Freundin Bianca Freifrau von Kapherr und deren Golden Retriever Danny besucht sie seit fast zehn Jahren die Kinder der Tagesstätte. Als ehrenamtliche Mitarbeiter gehören sie zum Verein Streichelbande, der sich als Gruppe von Tierfreunden dem Besuchsdienst in Seniorenheimen, Behinderteneinrichtungen und Schulen widmet. „Ein Hund sieht keine Behinderung“, sagt Welk, „gesunde Menschen haben manchmal eine Hemmschwelle, mit behinderten Menschen umzugehen. Das hatten wir am Anfang auch. Aber der Hund ist eine Brücke, ich empfinde kein Mitleid mehr. Für mich sind Behinderungen ganz normal.“ Sie will Freude bringen und helfen. Aber auch therapeutisch kann der Umgang mit Hunden für kranke Menschen sinnvoll sein, selbst wenn es sich nicht um speziell ausgebildete Tiere handelt.

In die Tagesstätte FortSchritt kommen vor allem Kinder mit spastischen Lähmungen. Die Therapeuten arbeiten dort nach der Konduktiven Förderung, die von dem ungarischen András Petö entwickelt wurde. Grundlage ist es, dem Kind die Möglichkeit zu geben, in eine körperliche Aufrichtung zu kommen. Die Starnberger Kinderärztin Dr. Gunhild Kilian-Kornell erklärt, dass Fortschritte möglich sind, wenn das Kind ein Ziel hat und den Willen, sich dorthin zu bewegen. „Man kann zwar an der Schwere der Grunderkrankung nichts ändern“, sagt Kilian-Kornell, „aber über die Motorik kann sich auch die geistige Entwicklung verbessern.“ Ein Hund könne das Kind animieren, sich zu ihm oder mit ihm gemeinsam zu bewegen. Kilian-Kornell glaubt, dass ein Hund eine Behinderung spürt, aber dem Menschen trotzdem unmittelbar begegnet. „Das Kind merkt: Da ist ein Wesen, das kann ich nehmen wie es ist und es nimmt mich wie ich bin. Hinter der Berührung durch ein Tier steht keine Erwartungshaltung“, sagt Kilian-Kornell.

Auch viele alte Menschen scheinen die Begegnung mit einem Hund zu genießen. Das hat Sylvia Hoffmann-Büttner erfahren, die zehn Jahre lang mit ihrer Hündin Lora das Caritas-Altenheim Maria Eich in Krailling besuchte. Die Menschen in der Demenzabteilung reagierten unterschiedlich. Manche freuten sich, andere zeigten keine Reaktion. Entscheidend sei gewesen, ob sie früher einen Bezug zu Tieren hatten, meint Hoffmann- Büttner: „Dann haben sie auch mal wieder gelacht und gesprochen.“ Ihr Hund Lora ist ein Kromfohrländer- Mischling und hat an der Münchner Tierklinik einen Besuchshundetest absolviert. Dabei wurde Lora gefilmt, wie sie sich verhält, wenn ein Mensch auf Krücken oder in einem Rollstuhl an ihr vorbei kommt. Sie durfte jederzeit weggehen, aber nicht die Lefzen hochziehen oder auf andere Weise aggressiv reagieren. Lora blieb ruhig. Nach der Analyse des Films durch die Tierklinik wurde sie ein zertifizierter Besuchshund. Mittlerweile ist sie 14 Menschenjahre alt und kürzlich in Rente gegangen. Der Abschied von den alten Menschen fiel beiden nicht ganz leicht, aber Hoffmann-Büttner meint, dass sich Lora mit 93 Hundejahren ihren Ruhestand verdient hat.

Frauchen und Hund haben viel erlebt in den zehn Jahren in „Maria Eich“. Viele Menschen, die sie besucht haben, sind mittlerweile gestorben. Einige, die anfangs noch stark auf den Hund reagierten, zogen sich immer mehr zurück, als es in den Sterbeprozess ging. „Man merkt, wenn der Tod kommt“, sagt Hoffmann- Büttner, „die Menschen nehmen nur noch wenig Nahrung und Flüssigkeit zu sich. Die sinnliche Wahrnehmung geht immer mehr zurück.“ Die Demenzkranken haben oft Lora wiedererkannt, dessen Frauchen Hoffmann-Büttner aber nicht. „Als ob Tiere bei den Demenzkranken einprägsamer wären als Menschen“, sagt sie. „Aber irgendwann kommt auch der Hund nicht mehr an sie ran.“

Für Hoffmann-Büttner ist es keine seelische Belastung, den Sterbeprozess der alten Menschen so direkt mitzubekommen: „Für mich ist es eher umgekehrt – der Schrecken vor dem Tod ist total weg. Eigentlich ist das hier ein sehr positiver Umgang. Der Tod ist etwas ganz Natürliches, wie eine Geburt.“ Ohne Lora will sie jedoch nicht weiter im Altenheim arbeiten. Jetzt widmet sie sich dem Helferkreis Asyl. Nicht jedes Tier eignet sich für Besuche bei Kindern oder alten Menschen. Die Besuchshunde der Streichelbande müssen einen erweiterten Wesenstest bei einer erfahrenen Tiertherapeutin bestehen. Gerade bei behinderten oder dementen Menschen kann es passieren, dass ein Tier etwas fester angefasst wird, als es das gewohnt ist. Bei einem Wesenstest werden die Hunde beispielsweise ins Ohr gekniffen, und mehrere Menschen beugen sich gleichzeitig über sie, was für das Tier bedrohlich wirken kann. Auch der Futterneid wird getestet: Man nimmt dem Hund das Futter weg und beobachtet, was passiert. Dabei darf das Tier nicht aggressiv reagieren; es kann aber jederzeit weggehen, wenn es ihm zu viel wird.

Die Gautingerin Sina Mösch ist akademisch geprüfte Fachkraft für tiergestützte Therapie und Pädagogik. Zudem arbeitet sie als Zootierpflegerin im Tierpark Hellabrunn. Um zu sagen, welche Eigenschaften ein Hund mitbringen sollte, unterscheidet sie nach der Aufgabe des Tieres: „Bei tiergestützten Aktivitäten, bei denen es um Begegnungen und Kontakt mit den Menschen geht, reicht es, wenn die Tiere ein gutes Wesen haben. Sie sollten gesund, neugierig und gut sozialisiert sein.“ Wenn man allerdings tiergestützte Therapie oder Pädagogik mit einem Hund machen will, müsse man das Tier schon als Welpen auf die Aufgabe vorbereiten.

Armin Heil, Leiter der Ambulanten Krankenpflege Tutzing, vertraut nicht allein auf das zahme Wesen eines Hundes, obwohl er selbst einen hat – den Labrador Poldi. Er bringt ihn oft in das Tagesbegegnungszentrum für Menschen mit niedriger Pflegebedarfsstufe mit. Die reagieren darauf positiv. Trotzdem kann Heil bei Besuchen von Ehrenamtlichen mit Streichelhunden nicht garantieren, dass ein Tier nicht doch mal aggressiv reagiert, wenn es zu grob angefasst wird. Das könne er nicht mal bei seinem eigenen Hund sagen. „Eigentlich bin ich ein Mensch mit Mut, aber die Frage der Haftung ist doch nicht zu unterschätzen“, sagt Heil. Er hält Besuche von Streichelhunden bei alten Menschen für sinnvoll, aber bei Demenzkranken nicht unbedingt, weil man nicht sicher weiß, wie sie mit dem Hund umgehen. Früher kam eine Frau mit einem Therapiehund in das Begegnungszentrum, aber ausgebildete Hunde kosten Geld.

Heil hat für die Demenzkranken in seiner Einrichtung eine andere Lösung gefunden: Rita Pickl sitzt auf ihrem Sessel im Tagesbegegnungszentrum und streichelt liebevoll ein weißes Tier. Leise spricht sie mit ihm und wiegt es in ihren Armen hin und her. Sie ist beinahe 90 Jahre alt und hochgradig dement. „Das ist eine weibliche Katze“ sagt sie, „mein Butzibär.“ Das Tier reagiert auf ihre Berührungen: es schnurrt, öffnet und schließt die Augen, bewegt sich. Der neutrale Beobachter sieht eine weiße Robbe, ein Stofftier. Es handelt sich um den Roboter Paro, der speziell für demenzkranke Menschen entwickelt wurde und unter dem Fell auf die Berührung durch die Patienten reagiert. Ist die Berührung zu grob, stellt sich Paro tot. Der Tierroboter wiegt 3,5 Kilo, so viel wie ein neugeborenes Kind. „Ich kann fühlen, wie sein Herz schlägt“, sagt eine andere demente Frau, als sie Paro auf dem Arm hält. Das surrende Geräusch, das die Robbe von sich gibt, hält sie für den Herzschlag. Heil erklärt: „Gesunde Menschen dürfen die Kranken nicht belehren. In Frau Pickls Wahrnehmung ist die Robbe eine weiße Katze.“

Eine andere Besucherin des Begegnungszentrums findet die Robbe nett, will sie aber nicht auf den Arm nehmen. Sie ist altersbedingt hilfebedürftig, aber nicht dement und erkennt deshalb, dass das Tier nicht echt ist. Sie will sich von diesem Krankheitsbild distanzieren. „Bei den demenzkranken Menschen findet eine Momentbegegnung mit dem Tier statt. Oft kann das eine Brücke zu den Pflegern bauen“, sagt Heil. Wenn die Patienten traurig sind oder nach Hause wollen, lenkt sie die Robbe ab. Ein neuer Gedanke findet statt und sie vergessen den vorherigen. Bei Pflegefällen, die nicht mehr aus dem Bett aufstehen können, legt man die Robbe auf den Brustkorb. So kann der Roboter gezielt eingesetzt werden. Mit einem lebendigen Tier ist das nicht immer möglich.

Der echte Hund Poldi liegt auf dem Fußboden und behält die Robbe im Blick. Auch er scheint sie für lebendig zu halten. Die Robbe ist wieder auf dem Schoß von Rita Pickl. Sie strahlt und lacht über die weiße Katze. Aus dem Lautsprecher im Tagesbegegnungszimmer schallt Musik: Die Gedanken sind frei.

Ines Lutz, Starnberger Merkur, 29./30. August 2015, Foto: SVJ




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