Wohngemeinschaft für Demenzerkrankte

Die Süddeutsche Zeitung befasste sich am 7.1.2014 in einem Artikel von Hannah Illing und Maria Anderl mit der von der Ambulaten Krankenpflege Tutzing pflegerisch betreuten Wohngemeinschaft für Demenzerkrankte im Ilse Kubaschewski Haus Starnberg.

Wohngemeinschaft für Demenzerkrankte im 
                                    Ilse Kubaschewski Haus Starnberg


Besondere Mieter


Neun Bewohner hat die betreute Demenz-Wohngemeinschaft im llse-Kubaschewski-Haus in Starnberg. Sie kochen, essen und basteln zusammen. Wie in einer richtigen WG. Ein Besuch

Starnberg - Ein Mann steht in der Kochecke und schält Karotten für die Sauce Bolognese zum Mittagessen. Vorsichtig entfernt er die Schalenstücke, die in seinem schwarzen Plastikschaber hängen geblieben sind, während im Herd daneben Eier in einem Topf brutzeln. Beim Kochen plappert er fröhlich vor sich hin. Was er sagt, wird vom Geräusch des gluckernden Wassers verschluckt.

Der Mann, der hier Ernst Lindenberg genannt werden soll, ist 81 Jahre alt, Diagnose: Alzheimer. Ernst Lindenberg ist einer der neun Bewohner der Demenz-WG „Walchensee" im Ilse-Kubaschewski-Haus in Starnberg. Während er kocht, sitzen ein paar seiner Mitbewohner am großen Holztisch im Wohnzimmer und frühstücken. Ein Freitagmorgen, der sich so auch in jeder anderen Wohngemeinschaft abspielen könnte. Wären da nicht die Pflegerinnen, die mit am Tisch sitzen und Ernst Lindenberg und seine acht Mitbewohner, 60 bis 89 Jahre alt, beobachten. Sie sind sofort zur Stelle, wenn jemand Hilfe braucht beim Kaffeetrinken.

Die Frauen und Männer, die in der WG wohnen, sind alle an Demenz erkrankt. Die Krankheit ist bei ihnen unterschiedlich weit fortgeschritten: Manche können noch Gespräche miteinander führen. Andere reden hauptsächlich in Monologen. Ernst Lindenberg erzählt viel. Er mag es, wenn man ihm zuhört. Wenn er über das Haus gegenüber spricht, zum Beispiel, die „fantastische Architektur". Oder über die Form des bunten Stoffballs, den ihm Mitbewohner Wilhelm Friedmann (Name geändert) eben zugeworfen hat. Oder über Aliens. „Sie können sich keine Vorstellungen machen, was da alles passiert", sagt Ernst Lindenberg zu Wilhelm Friedmann. Friedmann nickt: „Ja, ja."

Floskeln. Die haben die Demenzkranken „ganz lange drauf", sagt Christine Bloching-Hedwig, die die Pflege in der Walchensee-WG leitet. An Floskeln kann man sich klammern, wenn die anderen Erinnerungen verblassen. Erst ist es das, was vor kurzem passiert ist, an das sich die Kranken nicht mehr erinnern können. Dann lässt auch das Langzeitgedächtnis nach. Deshalb singt Christine Bloching-Hedwig in der Demenz-WG mit den Bewohnern. Über dem Tisch hängt ein Adventskalender, 24 Briefumschläge. Jeden Tag nach dem Mittagessen wird ein Umschlag geöffnet, darin ist ein Weihnachtslied. Heute ist es „Kommet ihr Hirten". Platten mit Titeln wie „Die schönsten deutschen Volkslieder" stehen im Regal. Daneben CDs von Schubert oder Mendelssohn-Bartholdy. Die Fähigkeit zum Singen bleibt bei den Demenzkranken länger erhalten als das Sprechen. Die Volkslieder erinnern sie an die Kindheit.

Mit ihrem Schicksal sind die Bewohner der Starnberger Demenz-WG nicht allein. Mehr als 1,4 Millionen Menschen in Deutschland sind dement, schätzt die Deutsche Alzheimer Gesellschaft, Tendenz steigend. Im Jahr 2050 sollen es drei Millionen Deinenzkranke sein. Mit ein Grund ist die steigende Lebenserwartung. Im Alter zwischen 65 und 69 Jahren leidet jeder Zwanzigste an einer Demenzform; bei den über 90-Jährigen ist es schon jeder zweite.

Die Idee der Leiterin war es,
ein „Gremium der Angehörigen" einzurichten

Deshalb ist es höchste Zeit, Alternativen zum Pflegeheim für die Demenzkranken zu finden, glaubt Christine Bloching-Hedwig. Eineinhalb Jahre lang hat die Gerontopsychiaterin - das ist eine Psychiaterin, die sich mit alten Menschen beschäftigt- das Konzept der Starnberger Demenz-WG mitentwickelt. Ihre Idee war es auch, ein sogenanntes „Gremium der Angehörigen" einzurichten. Dieses Gremium trifft alle Entscheidungen, zum Beispiel, ob Tiefkühl- oder Bio-Essen eingekauft wird. Bedingung für einen Mietvertrag in der WG ist deshalb auch, dass sich die Angehörigen aktiv am WG-Leben beteiligen und auch mal den Wocheneinkauf machen. Auch die Pflege ist in der Demenz-WG intensiver als in einem Pflegeheim: Drei Pflegerinnen sind von 8.15Uhr in der Früh bis 17 Uhr abends in der WG, einer hat Nachtschicht. In einem Pflegeheim kommen nachmittags und am Wochenende nur zwei Pfleger auf 25 bis 30 Kranke. So haben die Pfleger Zeit, auf jeden Demenzkranken gesondert einzugehen. Jeder darf aufstehen und frühstücken, wann er will. Ein Bewohner schläft sogar bis zwei Uhr mittags. Die Pflegerinnen in der Walchensee-WG gehen mit den Bewohnern auch einkaufen und spazieren. Jeden Mittwoch wird gemeinsam der Essensplan für die nächste Woche erstellt, gekocht wird frisch und wenn möglich mit Hilfe der Mieter. Die Demenzkranken sollen so viel wie möglich in das WG-Leben mit eingebunden werden.

Die Pflegeleiterin Bloching-Hedwig, kurze graue Haare, dezente Brille, ist eine resolute Frau mit viel Energie. Sie kümmert sich um die WG-Bewohner und wäscht nebenbei, sortiert die saubere Kleidung ein, räumt die Spülmaschine aus. Bloching-Hedwig ist es zu verdanken, dass die Atmosphäre in der Demenz-WG vor allem eines ist: heimelig. „Die Mieter sollen sich hier wie in einer großen Familie fühlen", erklärt Bloching-Hedwig. „Mieter", sagt sie, das sei ihr wichtig. Der Ausdruck „Bewohner" erinnere sie zu sehr ans normale Pflegeheim.

Professor Ernst Lindenberg sitzt jetzt in einem der großen orangenen Ohrensessel in der Ecke der Wohnküche. Das Deckenlicht ist speziell für die Vormittagsruhephase der Demenzkranken eingestellt: Warmes, gelbes Licht kommt dann aus den Lampen. Ernst Lindenberg hat die Augen geschlossen,döst vor sich hin.

An den Fenstern neben ihm kleben rote Weihnachtssterne aus Papier. Die haben die Bewohner selbst gebastelt, mit Hilfe natürlich. Einmal in der Woche kommt eine „Ehrenamtliche", wie Bloching-Hedwig sie nennt, zum kreativen Gestalten. Die Demenzkranken malen auch mit ihr. Vor der Zimmertür von Wilhelm Friedmann zum Beispiel hängt ein Bild, das er selbst gestaltet hat. Bunt und ein bisschen abstrakt ist es. Fast expressionistisch.

Christine Bloching-Hedwig kennt die Biografie von jedem Mieter. Bevor ein Demenzkranker in die Wohngemeinschaft einzieht, spricht sie mit seinen Angehörigen über sein Leben. Das ist ihr wichtig, damit sie die Menschen besser versteht. Ernst Lindenberg zum Beispiel war früher Professor für Physik an einer Münchner Universität. Noch heute unterstreicht er das, was er sagt, gern mit den Händen, drÜckt sich gewählt aus.

Christine Bloching-Hedwig, nennt ihn nur „der Herr Professor". Manchmal doziert Professor Lindenberg über Stromstöße. Seine „physikalische Phase" nennt Bloching-Hedwig das. Wenn er versucht, ihr eine Formel zu erklären, muss die Pflegerin passen. „Ich gebe ja mein Bestes, aber ich verstehe das mit den Stromstößen einfach nicht", sagt sie dann zu ihm. Das lässt Ernst Lindenberg nicht gelten: „So einen dummen Studenten habe ich ja in meinem Leben noch nicht gehabt!", ist seine Antwort.

Es hat gedauert, bis sich alle Bewohner an das Leben in der Demenz-WG gewöhnt haben. „Keiner der Menschen zieht freiwillig hier ein und sagt: Ich freue mich", sagt Bloching-Hedwig. Es dauert vier bis sechs Wochen, bis sich die Demenzkranken wohl in der Wohngemeinschaft fühlen. Dabei hilft es, dass ihre eigenen Zimmer ausschließlich mit Möbelstücken aus ihrer alten Wohnung eingerichtet sind. So fällt der Bruch nicht ganz so schwer. Die drei Bäder teilen sich die WG-Bewohner.

Auch wenn der WG-Alltag nicht immer leicht zu bewältigen ist, glaubt Christine Bloching-Hedwig, dass die Demenz-WG ein Pflege-Modell für die Zukunft ist. Die bisher beste Alternative zum Pflegeheim. „Es geht uns auch darum, den Menschen Mut zu machen, dass Demenz nicht das Ende von Lebensqualität bedeutet."

Zum Abschied steht Ernst Lindemann an der Tür. „Sie waren doch schon mal hier!", sagt er, lächelt freundlich und reicht die Hand.

Süddeutsche Zeitung, 07.1.2014, Hannah Illing, Maria Anderl, Fotos Treybal

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